Die optimale Bestell­menge

Herleitung der "klassischen Losformel" oder "Andler-Formel" für Einkäufer

Welche Stückzahl eines Artikels sollte jeweils auf einmal bestellt werden, um öko­nomisch zu wirt­schaften? Wird häufig bestellt, dafür aber stets kleine Mengen, dann steigt der Bestell­aufwand ins Unermessliche. Wird hingegen selten bestellt, dafür aber jeweils große Mengen, dann fallen hohe Kosten für die Lager­haltung an und es wird viel Kapital gebunden. Die optimale Bestell­menge muss demnach irgendwo dazwischen liegen.

Wir betrachten nun ein Modell, das als „klassische Los­formel“ oder „Andler-Formel“ bekannt ist. Es wurde ursprünglich zur Ermittlung der optimalen Größe von Fertigungs­losen entwickelt, lässt sich aber ebenso zur Ermittlung der optimalen Bestell­menge nutzen.

Das Ziel ist es, die jährlichen Kosten \( K \) in Abhängig­keit von der Bestell­menge \( x \) eines Artikels darzustellen, also \( K(x) \). An dem Punkt, an dem diese Funktion ihr Minimum hat, liegt die optimale Bestell­menge.

\begin{align} K &= jährliche \ Bestellkosten \\ x &= Bestellmenge \ des \ Artikels \\ B &= Kosten \ je \ Bestellung \\ j &= benötigte \ Jahresmenge \ des \ Artikels \\ l &= Lagerkostensatz \\ P &= Preis \ des \ Artikels \end{align}

Schritt 1: Die Fix­kosten je Bestellung

Widmen wir uns zunächst den oben erwähnten Kosten, die für jede Bestellung anfallen – diese umfassen die Kosten für die komplette Bestell­abwicklung im Einkauf (von der Bestellung bis zur Rechnungs­prüfung), die Versand­kosten sowie die Kosten für Waren­annahme und Ein­lagern der Ware. Diese Kosten je Bestellung bezeichnen wir als \( B \) und nehmen an sie seien für den jeweiligen Artikel konstant, also unab­hängig von der bestellten Menge. Die benötigte Jahres­menge des Artikels bezeichnen wir als \( j \). Die jährlich anfallenden Kosten für die Bestellungen des Artikels betragen also \[ Jährl. \ Kosten \ je \ Bestellung = \frac{j}{x} \cdot B \]

Ein kleines Beispiel zum Verständnis: Die benötigte Jahres­menge eines Artikels betrage \( j \) = 200 Stück. Es werden jeweils \( x \) = 50 Stück auf einmal bestellt. Demnach gibt es \( \frac{j}{x} \) = 4 Bestellungen pro Jahr. Geht man von Bestell­kosten \( B \) = 150 € aus, dann betragen die jähr­lichen Bestell­kosten in diesem Fall 600 €. In Abbildung 1 ist eine grafische Dar­stellung zu sehen. Daran ist zu erkennen, dass die jährlichen Kosten je Bestellung ins Uner­messliche gehen, wenn die Bestell­menge gering ist.

Abbildung 1: Jährliche Kosten je Bestellung in Abhängigkeit von der Bestellmenge

Abbildung 1: Jährliche Kosten je Bestellung in Abhängig­keit von der Bestell­menge

Schritt 2: Die Lager­haltungs­kosten

Nun betrachten wir die Kosten, die für die Lagerung anfallen. Hierzu führen wir den Lager­kostensatz \( l \) ein, wobei \[ l = \frac{Lagerkosten}{\varnothing \ Lagerbestand} + Kapitalzinssatz \]

Der erste Term auf der rechten Seite des Gleich­heits­zeichens, also \( \frac{Lagerkosten}{\varnothing \ Lagerbestand} \), gibt an, welcher Prozent­satz des Artikel­wertes für die Lager­haltung anfällt. Beträgt er beispiels­weise 10%, dann fallen für einen Artikel im Wert von 20 € jährliche Lager­kosten in Höhe von 2 € an. Die Kosten der Lager­haltung hängen in diesem Modell demnach aus­schließ­lich vom Artikel­preis ab und nicht beispiels­weise von den Abmaßen des Artikels.

Addiert man zu diesem Wert den für das Unter­nehmen geltenden Kapital­zinssatz, z.B. 5%, dann erhält man den Lager­kosten­satz \( l \), in unserem Beispiel wäre also \( l \) = 10% + 5% = 0,15.

Wenn \( P \) den Preis des zu betrachtenden Artikels bezeichnet, dann ergibt sich für die jähr­lichen Kosten der Lager­haltung \[ Jährl. \ Lagerhaltungskosten = \frac{x \cdot P \cdot l}{2} \]

\( x \cdot P \) stellt den Wert der bestellten Ware dar. Geht man von einem kontinuier­lichen Verbrauch aus sowie sofortigem Auf­füllen des Artikels bei Bestand Null aus, dann beträgt der durch­schnitt­liche Wert des auf Lager befind­lichen Artikels genau die Hälfte davon – daher der Faktor 2 im Nenner. Multi­pli­ziert man dies wiederum mit dem Lager­kosten­satz, so erhält man die jährlichen Lager­haltungs­kosten.

Nehmen wir unser Beispiel von vorher: Wir bestellen immer 50 Stück auf einmal, der Preis des Artikels betrage 20 € und der Lager­kosten­satz 15%, dann kommen wir auf jährliche Lager­haltungs­kosten in Höhe von 75 €. In Abbildung 2 erfolgt eine grafische Dar­stellung: Die jährlichen Lager­haltungs­kosten steigen propor­tional mit der Bestell­menge an.

Abbildung 2: Jährliche Lagerhaltungskosten in Abhängigkeit von der Bestellmenge

Abbildung 2: Jährliche Lager­haltungs­kosten in Abhängig­keit von der Bestell­menge

Schritt 3: Zusammen­fügen der Erkennt­nisse

Fassen wir die bisher gewonnen Erkennt­nisse zusammen: Wir haben anfangs die jährlichen Kosten pro Bestellung ausge­rechnet – also das Produkt aus der Anzahl der Bestellungen pro Jahr und den Kosten pro Bestellung. Zudem kennen wir die jährlichen Lager­haltungs­kosten, deren Berechnung etwas komplizierter war und einiger Annahmen bedurfte. Die jähr­lichen Bestell­kosten \( K(x) \), deren Minimum wir suchen, entspricht der Summe aus jährlichen Bestell­kosten und jähr­lichen Lager­kosten, also \[ K(x) = \frac{j}{x} \cdot B + \frac{x \cdot P \cdot l}{2} \]

Wir suchen die optimale Bestellmenge – also den Wert, bei dem die Kosten \( K(x) \) minimal sind. Das ist dann der Fall, wenn die erste Ableitung gleich Null ist, also \( K'(x) = 0 \). \begin{align} K'(x) &= - \frac{j}{x^2} \cdot B + \frac{P \cdot l}{2} \\ &\stackrel{!}{=} 0 \end{align}

Als nächstes lösen wir diese Gleichung nach x auf. \[ x = \pm \sqrt{\frac{2 \cdot j \cdot B}{P \cdot l}} \]

Nur die positive Lösung der Gleichung ist sinnvoll. Die minimalen jährlichen Bestell­kosten ergeben sich also bei der Menge \[ x_{_{_{K = min}}} = \sqrt{\frac{2 \cdot j \cdot B}{P \cdot l}} \]

Mit unseren Beispiel­zahlen von zuvor wäre \( x = 141 \), man würde also jeweils eine Menge bestellen, die acht­einhalb Monate lang reichen würde. In Abbildung 3 erfolgt die grafische Dar­stellung: Die darge­stellte Kurve ist die Summe der beiden Kurven aus Abbildung 1 und Abbildung 2.

Die Formel ist erstaun­lich einfach. Kennt man die Para­meter \(j\), \(B\), \(P\) und \(l\), dann lässt sich die optimale Bestell­menge sehr zügig berechnen. Dennoch wird diese Formel im Einkauf von mittel­ständischen Unternehmen so gut wie nie angewendet. Es sind zu viele realitäts­ferne Angaben nötig, um auf das Ergebnis zu kommen, wie beispiels­weise:

  • Die Kosten für die Lager­haltung hängen vom Preis des Artikels ab, nicht jedoch von dessen Abmaßen.
  • Der Preis des Artikels ist unabhängig von der Bestell­menge – in der Regel sinkt der Preis aber mit der bestellten Menge (es sei denn, ein Mengen­kontrakt wäre vorhanden).
  • Der Jahres­bedarf des Artikels wird konstant über die Zeit verbraucht.
  • Der Kapital­zinssatz ist konstant.
  • Die Bestell­kosten sind konstant und unab­hängig von der Menge.
  • Es gibt keinen Mindest­bestand.

Darüber hinaus gibt es einige Punkte, die überhaupt nicht berück­sichtigt werden. Welche das sind und wie Sie statt­dessen vorgehen sollten, erfahren Sie in meinen Schulungen.

Abbildung 3: Jährliche Bestellkosten in Abhängigkeit von der Bestellmenge

Abbildung 3: Jährliche Bestellkosten in Abhängigkeit von der Bestellmenge

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